PETER SCHNÜRPEL | Kunstsammlung Jena

Siegerfiguren, 1994/2000

Acryl über Siebdruck auf Pappe

Schreitender, 2006

Ölstick und Ölfarbe auf Wellpappe

Läufer, 1980

Mappe mit 6 Siebdrucken auf Papier

Träger, 1996/97

Reservage auf Eisen auf Bütten

Szene mit Stürzendem II, 1999

Monotypie mit Ölfarbe auf Bütten

Szene mit Stürzendem I, 1999

Monotypie mit Ölfarbe auf Bütten

Finish, 1992/2007

Acryl über Siebdruck auf Papier

Träger, 2006

Ölstick und Ölfarbe auf Wellpappe

Siegerfiguren, 1987

farbige Tusche und Collage über Kaltnadelradierung auf Bütten

Burleske, 2014

Tusche über Reservage auf Eisen auf Bütten

Siegerfiguren (Bl. I), 1997

farbige Tusche und Collage über Kaltnadelradierung auf Bütten

Menschenmauer für C. v. O., 1990/96

Tusche über Radierung auf Bütten

Marsyas, 2018

Kaltnadelradierungen auf Bütten

Burlesken, 2012/13

Tuschezeichnungen auf Kanzleipapier

Atelier Rodin II, 2015

Reservage auf Eisen, Chine-Collé collagiert auf Bütten

Schritt, 1999

Reservage, Pinselätzung auf Eisen auf Bütten

Begegnung, 2017

Reservage auf Eisen, Chine-Collé collagiert auf Bütten

Black Dance III, 2009

Reservage auf Eisen, Flächenätzung, Chine-Collé auf Bütten

Träger, 1999

Blatt I, II, IV und V von VII Reservage auf Eisen, Chine-Collé auf Bütten

Träger, 2006

Ölstick und Ölfarbe auf Wellpappe

Stürzender, 2006

Ölstick und Ölfarbe auf Wellpappe

Tanz, 2006

Ölstick und Ölfarbe auf Wellpappe

Träger, 1998/2010

Tusche über Radierung (als Hochdruck gedruckt) auf Bütten

Marsyas, 2021

Öl auf Wellpappe

„Am 27. Dezember 1950 in New York“, 1984-87

Blatt III, A, C und D Tusche über Kaltnadelradierung

Finish, 1988

Acryl über Siebdruck auf Papier

kleiner Torso I, 1999

Monotypie mit Ölfarbe auf Bütten

Träger, 1999

Monotypie mit Ölfarbe auf Bütten

Burleske, 2014

Reservage auf Eisen, Chine-Collé auf Bütten

Das rote Pferd II, 2017

Reservage auf Eisen, Chine-Collé auf Bütten

Nacht und Tag, 2015/16

Tusche und Filzstift auf verschiedenen Papieren

Sieger, 1995

farbige Tusche über Aquatinta auf Bütten

Black Dancer, 2009/12

Tusche über Radierung auf Bütten

Stehender, 2006

Ölstick und Ölfarbe auf Wellpappe

Burleske, 2014

Reservage auf Eisen, Chine-Collé auf Bütten

Das rote Pferd I, 2017

Reservage auf Eisen, Chine-Collé auf Bütten

Träger, 1998

Tusche über Reservage auf Eisen auf Bütten

Träger, 1996/97

Reservage auf Eisen auf Bütten

Träger, 1998

Reservage auf Eisen auf Bütten

Träger, 1998

Reservage auf Eisen, Pinselätzung, Chine-Collé auf Bütten

Burleske, 2014

Reservage auf Eisen, Chine-Collé auf Bütten

Träger, 1998

Reservage auf Eisen auf Bütten mit Mappe und Text von Ingo Schulze

Siegerfigur II, 1994/2000

Acryl über Siebdruck auf Papier

Fig. I-V, 2006

Ölstick und Ölfarbe auf Wellpappe

„Wohin – nun?“ – Männer mit Fahnen, 1998/2001

Acryl über Siebdruck auf Papie

Träger, 2007

Ölstick und Ölfarbe auf Wellpappe

Stürzender, 2006

Ölstick und Ölfarbe auf Wellpappe

Ecce Homo, 2016

Ölstick und Ölfarbe auf Wellpappe

Stürzender I, 1999

Monotypie mit Ölfarbe auf Bütten

kleiner Torso II, 1999

Monotypie mit Ölfarbe auf Bütten

Marsyas

Peter Schnürpels Auseinandersetzung mit menschlichen Qualen erreicht eine dramatische Zuspitzung in der Darstellung der Schindung (Häutung) des Marsyas. Das Motiv geriet in den letzten Jahren ins Zentrum der Aufmerksamkeit des Künstlers: In den Nacht und Tag-Zeichnungen lässt sich beobachten, wie Marsyas in das Schaffen eintrat und rasch steigende Aufmerksamkeit beanspruchte. Anschließend fokussiert sich Schnürpel in den Kaltnadelradierungen und Ölmalereien sowohl grafisch als auch malerisch ganz auf die Figur, die der griechischen Mythologie entstammt. Marsyas war, dem Mythos zufolge, ein phrygischer Satyr. Eines Tages fand er eine Flöte, die Athene weggeworfen hatte, weil das Spiel ihr Gesicht verzerrt hatte. Marsyas erlernte das Instrument und wurde darin bald so meisterhaft, dass er es wagte Apollon zum Wettstreit herauszufordern. Dies kam einem Auflehnen gegen den Absolutheitsanspruch der Götter gleich. Entsprechend musste Apollon, der mittels einer List gewann, das Vergehen mit entschiedener Härte bestrafen, um die tradierte Ordnung aufrechtzuerhalten. Marsyas wird in der Folge aufgehängt und bei lebendigem Leibe gehäutet. Schnürpel reiht sich mit der Abbildung dieser martialischen Szene künstlerisch in eine lange Tradition ein, die über das bekannteste, Tizian zugeschriebene Gemälde hinaus bis auf antike Vasen zurückweist. Immer wieder wurden unterschiedliche Deutungen an den Mythos herangetragen. Häufig wird er als Zweikampf zwischen dem Apollinischen und dem Dionysischen gelesen. Marsyas repräsentiert dabei die alternative, freie Welt der Natur, verbunden mit Elementen wie Tanz, Erotik und Spontaneität, während Apollon für einen naturfernen Kunstbegriff steht, bei dem das inszenierte Musikspiel dem Machterhalt dient. Als Folie menschheitsgeschichtlicher Fragen bleibt der Mythos zeitlos, so dass Schnürpels Marsyas mit dem Sinn und Unsinn jener Qualen und ihrer generellen Unabwendbarkeit im Verlauf eines nach Erfüllung strebenden Lebens konfrontiert.

Atelier Rodin, 2015

Reservage auf Eisen, Chine-Collé collagiert auf Bütten

Münchhausen im Harem, 2019

Ätzradierung, Flächenätzung, Schaber auf Bütten

Träger, 2006

Ölstick und Ölfarbe auf Wellpappe

Nacht und Tag

An einem Tag im Jahr 2015 war Peter Schnürpel auf die Idee gekommen, jede Nacht, vor dem Zubettgehen, eine Zeichnung in der Dunkelheit des unbeleuchteten Raumes anzufertigen. Das Papier war hierbei in seiner Dimension gerade noch erkennbar. Etwa 15 bis 30 Minuten gab sich der Künstler pro Zeichnung, ausgeführt überwiegend mit Tusche, manchmal auch mit Filzstift. Nachts widerstand er seiner Neugierde nach Begutachtung der Ergebnisse. Am nächsten Morgen jedoch erlaubte er sich jeweils drei optionale geringfügige Ergänzungen als Korrektur, etwa die kurze Verbindung einander verfehlender Linien. Die Blätter bezeichneter er entsprechend als Nacht respektive Nacht und Tag. Fast zwanzig Monate lang, von Juni 2015 bis ins Jahr 2017 hinein, hielt Schnürpel allnächtlich an diesem Konzept fest. Über fünfhundert eigenwillige Zeichnungen gingen daraus hervor. Seine virtuose grafische Sprache offenbart sich in diesen so unverfälscht, roh und direkt, wie kaum an anderer Stelle. Das begründet sich nicht nur daraus, dass die Nacht und Tag-Folge dem freien Skizzenhaften eine eigene Wertigkeit zuerkennt. Sie ist vor allem auch eine selbstreflexive Auseinandersetzung des Künstlers mit den eigenen, bewussten wie unbewussten Automatismen. Er strebte eine Art Peinture automatique an, ableitbar aus dem surrealistischen Verfahren der Écriture automatique (Automatisches Schreiben), das die Surrealisten anwendeten, um die Ratio zu unterlaufen und absichtslose, unerwarteten Erscheinungen zu provozieren. Mit der situativen Bedingung nächtlicher Dunkelheit findet Schnürpel dabei einen eigenen Ansatz, der ihm seinen kontrollierenden Blick und damit den wohl wichtigsten Sinn als bildender Künstler raubt. Er zwingt sich selbst, von der über viele Jahre hinweg entwickelten Art des Zeichnens abzuweichen. Nicht die „schöne“ Zeichnung wird angestrebt, sondern das Aus-der-Hand-Geben der Kontrolle, um eine andere, ungefilterte Sichtweise auf das eigene Verbildlichen von Vorstellungen und Gedanken hervorzurufen. Gleichzeitig entsteht eine unmittelbare Anschaulichkeit dessen, was den Künstler in jener Zeit des täglichen nächtlichen Gestaltens beschäftigte.

Läufer, 1977/98

Tusche über Radierung auf Papier

Finish, 1991/92

Acryl über Siebdruck auf Papier

o. T., 1979/92

farbige Tusche über Aquatinta auf Bütten

Träger, 1998

farbige Tusche über Radierung auf Bütten

Einführung

Der Zeichenstil Peter Schnürpels präsentiert sich oft ungezähmt und spröde. Linien verlaufen  harsch, ja krakelig, ehe sich Figuren von hoher Expressivität herauskonturieren und mit sensibel differenzierten, teils filigranen Details verblüffen. Mit seinem markanten, selbstbewusst freien Stil widmet sich der Altenburger Grafiker und Maler Peter Schnürpel nun seit über 50 Jahren seinen Gestalten. Beharrlich zielen diese auf die unbarmherzige Frage nach der menschlichen Existenz ab. Die Kunstsammlung Jena nimmt Schnürpels 80. Geburtstag nun zum Anlass, um mit einer Einzelausstellung das außergewöhnliche Werk eines Künstlers zu würdigen, der speziell im Bereich der Grafik zu den bedeutendsten der mitteldeutschen Kunstlandschaft der Nachkriegszeit gehört. 1941 in Leipzig geboren, absolvierte Schnürpel 1960 bis 1965 sein Kunststudium an der dortigen Hochschule für Grafik und Buchkunst. Das Malerische sollte stets fester Bestandteil seines Stils bleiben. Von größerer Prägung als die Malerei seiner berühmten Lehrer Wolfgang Mattheuer und Bernhard Heisig waren allerdings die Anleitungen Karl Krugs in der Druckwerkstatt. Hier formte sich Schnürpels künstlerische Ausrichtung als Grafiker. In der Folge gelangte der passionierte Zeichner vor allem bei der Technik der Radierung zu einer Meisterhaftigkeit, die auch nicht vor seltenen oder aufwändigen Kombinationsverfahren zurückschreckt. Zum Einsatz kommen etwa Reservage, Pinselätzung auf Eisen oder collagierte Chine-Collé. Im Zentrum der Werkreihen steht der Mensch als nackter Akteur, der über die bloße Bewegung seines Körpers existenzielle Themen ausficht. Die Ausstellung lässt nachverfolgen, wie das spezifische Motiv reift, sich wandelt und entwickelt, während parallel die Wirkung durch verschiedene Verfahrenstechniken variiert. Jüngst wählte Schnürpel neben der Kaltnadelradierung etwa wieder öfter pastose Ölfarben, wenn er sich dem griechischen Mythos um Marsyas zuwendet. Steht bei diesem, mit Schmerz und Grausamkeit aufgeladenem Motiv der gemarterte Körper im Zentrum, entstammen die frühen Figuren noch der vergleichbar harmlosen Alltagswelt des Sports. Doch schon damals bezog das ästhetische Interesse eine tiefere Ebene mit ein: nicht nur bloße Freude am Sieg, vor allem die dem Sport innewohnende Tragik des Verlierens, Stürzens oder der Erschöpfung drückt sich über die Dynamik der Körper aus. In reduzierter Form potenzieren sich diese Konflikte des Menschen im Läufer. Der Läufer wird zur Schicksalsgestalt, mit ungewissem Vorher und Nachher – das Immer-weiter-Laufen als einsames, unabschließbares Handlungsmoment. Auch die Träger sind in Schnürpels Gesamtwerk ein Motiv, dem er sich immer wieder aufs Neue widmet: In ihnen bleiben die Figuren nicht allein, sondern verzahnen sich in Konstellationen, die Emotionen wie Schmerz, Leid, Not und Empathie im zwischenmenschlichen Gefüge austarieren. Deutlich heiterere Klänge übermitteln die Tänzer und Burlesken, in denen das Themenspektrum inhaltlich um Erotik, aber auch schwarzen Humor erweitert wird: Wo sich Sinnlichkeit zur Ekstase aufschwingt, tritt der Tod ins Bild – der Tanz wird zum Totentanz und konfrontiert mit der Trias von Leben, Tod und Eros. Träger, Burlesken und Marsyas begegnen dem Betrachter auch in den Nacht und Tag-Blättern. Bei dem im Dunkeln entstandenem Langzeitprojekt kommt Schnürpels virtuose grafische Sprache in besonders roher und direkter Form zum Ausdruck. Die Serie fußt mit der Variation des eigenen Figurenkanons auf einer Selbstbefragung des Künstlers. Und ähnlich zeigt auch so der anhaltende Hang zum Übermalen eigener, alter druckgrafischer Arbeiten, dass bei Schnürpel alles in konstruktiver Bewegung bleibt. Schon die Existenz der Läufer unterlag dem ewigen Fortschreiten – eine Unabgeschlossenheit, in der stets der Impuls zum nächsten Schritt keimt, durchaus verständlich als ein Plädoyer gegen das Verharren im Immergleichen.Für die freundliche Förderung der Ausstellung danken wir der Kulturstiftung des Landes Thüringen.

Biografie